Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte mit seiner am 02.02.2017 veröffentlichten Entscheidung vom 11.11.2016 (26 U 111/15) das Urteil des Landgerichtes Arnsberg, dass einer Patientin aufgrund eines groben Behandlungsfehlers 400.000 Euro Schmerzensgeld zusprach:
Einer 57 jährigen Patientin wurde zur Implantation einer Bandscheibenprothese und zur Versteifung (Fusion) mehrerer Wirbel geraten. Nach der OP kam es zur fortschreitenden Schwächung von Armen und Beinen, sodass die Patientin eine Querschnittslähmung unterhalb des dritten Halswirbels entwickelte. Seitdem ist sie auf fremde Hilfe und einen Rollstuhl angewiesen.
Ein eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten ergab mehrere Behandlungsfehler:
Befunderhebungsfehler
Per Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass differenzialdiagnostisch kein MRT-Befund eingeholt wurde. Dies wurde als Befunderhebungsfehler gewertet – Glück für den Patienten: Weil man im Nachgang schlecht nachprüfen kann, ob etwas anders gelaufen wäre, wenn der Arzt einen notwendigen Befund eingeholt hätte, wird dies einfach unterstellt. Der Arzt muss dann beweisen, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er den Befund eingeholt hätte. Dieser Beweis ist sehr schwer zu führen.
Aufklärungsfehler
Es wurde festgestellt, dass die Patientin nicht über alternative konservative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wurde: Der Patient ist nämlich nicht nur über die Gefahren eines geplanten Eingriffes aufzuklären, sondern auch über andere Behandlungsmöglichkeiten – und zwar mit so viel Vorlauf, dass er sich ernsthaft Gedanken über die möglichen Behandlungsmethoden machen kann.
Fehlerhafte Therapiewahl
Zudem ergab das Sachverständigengutachten, dass ein Implantat nicht in unmittelbare Nähe von versteiften Wirbeln gesetzt werden darf. Diese Therapie entspricht nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Das Schmerzensgeld liegt erfreulicherweise leicht oberhalb üblichen Beträge. Klar ist natürlich, dass ein Schmerzensgeld – egal in welcher Höhe – die Einschränkungen, die eine Querschnittslähmung mitbringt, niemals aufwiegen kann.
Ob das OLG Hamm die Richtung zu steigenden Schmerzensgeldern aufzeigt, die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer noch sehr gering sind, bleibt abzuwarten.
Rechtsanwalt Björn Hülsenbeck – Ihr Gesundheitsanwalt
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